Christine Lavant und die bildende Kunst
Von Annemarie Türk,
Internationale Christine Lavant Gesellschaft
51 Jahre nach ihrem Tod ist das Werk der Kärntner Dichterin Christine Lavant aktueller denn je. Dank der 4-bändigen Werkausgabe sind uns nun auch jene Texte zugänglich, die zu ihren Lebzeiten nicht veröffentlicht wurden. Nahezu 50 Prozent ihres Werkes waren unbekannt und erst die Gesamtheit ihres Schreibens, ihrer Lyrik wie auch der vielen Prosatexte verändert nun die Sicht auf Christine Lavant nachhaltig.
Ein interessanter Aspekt in ihrem Leben war ihre Beziehung zur bildenden Kunst; ein Aspekt, der bislang kaum beachtet wurde.
Christine Lavant hat schon in ihrer Kindheit zu zeichnen begonnen. Zeichnen und Malen waren ihr wichtige Ausdrucksmittel. Das war und ist umso bemerkenswerter, da sie seit Kindertagen sehr schlecht sah und sogar die Gefahr bestand, das Augenlicht ganz zu verlieren. Ihr Interesse beschränkte sich jedoch nicht nur auf das eigene Zeichnen und Malen. 1938, während einer Behandlung bei dem Augenarzt Dr. Adolf Purtscher, traf sie auf den Künstler Franz Wiegele, ein Mitglied des Nötscher Kreises. Auch Franz Wiegele laborierte an einer schweren Augenerkrankung und arbeitete während seiner Behandlung an einem Portrait des Arztes. Christine Lavant wurde eine aufmerksame Zeugin dieses Malprozesses und schrieb schließlich das Gedicht „Vor einem unvollendeten Bildnis“.
1939 heiratete sie den um 36 Jahre älteren Josef Habernig, einen bildenden Künstler, der nach ersten Erfolgen nun in sehr prekären Verhältnissen in Wolfsberg lebte. Es wurde eine sehr unglückliche Ehe und Christine Lavant war gezwungen, mit ihren Strickarbeiten für ein bescheidenes Auskommen zu sorgen.
1950 lernte sie bei den St. Veiter Kulturtagen den Maler Werner Berg kennen, mit dem sie fortan eine höchst unglückliche Liebesgeschichte verband. Erst jetzt wurde – vor allem durch eine Ausstellung im vergangenen Jahr in Bleiburg/Pliberk – offensichtlich, dass diese Liebesbeziehung auch für das künstlerische Schaffen beider sehr wichtig und fruchtbar war. In dieser Ausstellung konnte man entdecken, wie sehr Christine Lavant sich mit den Bildern und Holzschnitten Werner Bergs befasste und oft mit Gedichten und Briefen unmittelbar darauf reagierte, und umgekehrt hat Werner Berg nicht nur zahlreiche Portraits von ihr geschaffen, sondern mit Malereien, Holzschnitten und Zeichnungen auf ihre Texte geantwortet. Es war ein sehr intensiver inhaltlicher, künstlerischer Austausch, der mit der Trennung 1955 abriss. In den nächsten Wochen erscheint dazu ein Buch „Lies unsere Zeichen ! Werner Berg Christine Lavant“ im Wallstein Verlag.
Ihr Leben lang zeichnete Christine Lavant – trotz ihrer großen Sehschwäche – mit Ölkreide, Buntstiften und Wasserfarben. Sie benutzte nur ganz selten Zeichenpapier, bearbeitete, was immer ihr an Material unterkam.
Ihre Motive entnahm sie meist der unmittelbaren Umgebung: sanfte Hügel, Bäume und Blumen. Wir kennen von ihr Tag- und Nachtbilder, mit strahlenden Sonnen und den von ihr in ihren Gedichten so oft angesprochenen Mond. Mit nur wenigen Strichen gelang es ihr, stimmungsvolle Landschaften aufs Papier zu bringen.
Christine Lavant sammelte diese Blätter nicht, sie signierte sie und verschenkte die Bilder an Freunde, manchmal als ein Dankeschön oder als einen sehr persönlichen Gruß. So tauchen nun immer wieder neue Lavant-Zeichnungen in Nachlässen auf, wo man keine Zeugnisse von Christine Lavant vermuten würde.
Damit nicht genug – auch heute und in den letzten Jahrzehnten haben ihre Texte nicht nur Komponisten und Musiker zu neuen Werken angeregt, sondern auch sehr viele bildende Künstler arbeiteten und schufen unter dem Eindruck dieser Texte Neues, wie zum Beispiel Eva Choung-Fux oder Reimo Wukounig, um nur einige zu nennen. Manche dieser Arbeiten waren bereits 2019 in einer Christine Lavant gewidmeten Ausstellung im Literaturhaus Wien zu sehen.
Luise Kloos hat vor einigen Jahren diesen Faden aufgenommen und sich auf ihre ganz eigene Art Christine Lavant genähert. Zeile für Zeile erschließt sie die Gedichte für sich, aber auch für uns, jedes Mal überraschend, jedes Mal neu. Und dafür sei ihr sehr herzlich gedankt. So war es für die Internationale Christine Lavant Gesellschaft selbstverständlich, die Veröffentlichung dieser Auseinandersetzung zu unterstützen.